Sonntag, 19. April 2020

Forschungen - Buebezüg


Die DKW-Hummel meines Vaters hatte ihre Macken. Er war, als Werk- und Zeichenlehrer, kunsthandwerklich sehr versiert, zeigte sich Motoren und elektrischen Einrichtungen gegenüber aber erstaunlich ungeduldig und unbeholfen. Wenn er sich also draussen auf dem Trottoir an seinem Töff zu schaffen machte, endete es oft in einem Gemurkse, begleitet von Flüchen und um den Preis ölverschmierter, aufgerissener Hände. Meist stotterte die Maschine nach ihrer schweisstreibenden Wiederzusammensetzung immer noch, und er musste sie schliesslich doch zum 'Cenci' bringen, was auch bedeutete, dass er zwei Tage mit dem Tram zur Schule fahren musste. Schmach und Zeitverlust!

Ich interessierte mich als Kind und Jugendlicher, im Gegensatz zu meinem Bruder, kaum für Maschinen, hatte deshalb keine Ahnung von einem Töffmotor, als ich mit 18 Jahren von meinem Cousin C. eine defekte Lambretta geschenkt bekam, begleitet vom Versprechen, er würde sie mit mir zusammen instand stellen. Ich fand den Gedanken interessant und wollte gerne einen Roller fahren, glaubte jedoch keinen Moment daran, dass wir es schaffen würden. Mein Cousin, der die Lehre als Maschinenbauer abgeschlossen hatte und schon ein richtiger Selfmademann war, ging die Sache rasch und beherzt an, und wir bugsierten die Maschine mit vereinten Kräften die Aussentreppe hinunter in den Keller. Die abgeschraubten Blech- und Gussteile dienten als Gefässe für die Schrauben, mit denen sie befestigt gewesen waren, und bald waren alle Abstellflächen und Ecken des Kellerraums bedeckt mit Schälchen und Schalen. Allzu Öliges durfte auf Kartonstücken auslaufen, und es roch bald intensiv nach Getriebeöl, Schmierfett und Russ. Ich versuchte gar nicht erst, die Übersicht zu behalten und vertraute ganz auf meinen Cousin.

Und ich lernte schnell, zum Beispiel, dass man für die Ablösung gewisser Teile eine Abziehvorrichtung braucht, mit viel Phantasie und Improvisationsgabe aber auch ohne eine solche auskommen kann. Oder wie man einem rostenden Benzintank eine Handvoll Schraubenmuttern und Petrol einverleibt, ihn eine Weile im Kreis herumschwenkt und so inwendig putzt. Grossen Wert legte meine Cousin aus eigener Erfahrung auf die Verhütung von Unfällen durch abrutschendes Werkzeug, worüber ich sehr froh war, denn es gab eigentlich nur wenige Schrauben, die sich leicht lösen liessen. Zudem waren unsere Schlüssel zum Teil alt, ihre Wangen nicht mehr sauber parallel, und es legte sich immer gleich ein Ölfilm über alle zu behandelnden Teile, obwohl wir dauernd rieben, putzten und dabei Unmengen von Lappen verbrauchten. Die wenigen Schrammen, die ich mir trotzdem holte, waren schmerzhaft genug und heilten schlecht. Einige Teile waren auch kaputt, innerste Teile wie die Kolbenringe, von denen ich vor dieser Unternehmung weder den Namen noch die Funktion gekannt hatte. Zum Glück gab es in Birsfelden einen Töffladen, der für die Marke Lambretta spezialisiert war. Wir fuhren zu Beginn zu zweit dorthin, wenn wir etwas ersetzen mussten, denn ich traute mir noch nicht zu, die richtigen Angaben für eine Suche nach dem gewünschten Ersatzteil liefern zu können.

Mit der Zeit konnte mich mein Cousin alleine in den Laden schicken. Wichtig war immer, dass man den Jahrgang der Maschine mehrmals und nachdrücklich nannte, denn die Firma hatte die Dimensionen auch sehr wichtiger Maschinenteile manchmal im Jahrestakt geändert. Ich habe nie erlebt, dass der Verkäufer über einen Wunsch die Stirne runzelte oder abwehrte: das haben wir nicht! Er holte eine Trittleiter und stellte sie zielsicher vor eine grosse Wand mit Holzschubladen, die bis unter die Decke reichten. Dann begann er, Schubladen und Schublädchen herauszuziehen, kramte herum, dabei immer wieder nachfragend: 1967 haben Sie gesagt? Dann zog er ein paar kleine Umschläge aus Ölpapier heraus und kam zur Theke. Ich meine, 1964 bis 65 haben sie da den gleichen Durchmesser gehabt, 1967 habe ich nicht mehr. Dann überprüfte er seine Vermutung mit der Schieblehre, unterbrochen von Kontrollblicken in einen alten Katalog, um schliesslich den Verkauf abzuschliessen. Der Preis war meist so niedrig, dass man sich fragte, woran das Geschäft etwas verdiente. Wir konnten den Töff schliesslich wieder zusammensetzen, nur einige wenige Schrauben blieben übrig. Als wir ihn wieder die Treppe hinauf in den Garten geschoben hatten, füllten wir etwas Benzin in den Tank, und mein Cousin trat ein paarmal kräftig den Starthebel. Schon nach dem dritten Mal sprang der Motor zu meiner grössten Überraschung an. Wir standen zwar in einer dicken Qualmwolke, und bei Betätigung des Gasgriffs soff die Maschine ab, aber sie war einmal gelaufen und liess sich auch wieder starten.

Es brauchte noch viele Anstrengungen, die ich nun weitgehend selber bewältigen konnte, bis ich den Töff fahren konnte. Lange hatte ich ihn dann nicht. Ich bestand die Fahrprüfung nicht, und der Motor machte immer wieder Schwierigkeiten, so dass ich bald die Lust verlor und eine Zeit lang kein Kontrollschild mehr hatte. Die Lambretta auf diese Weise, ohne Nummer, auf dem Trottoir stehen zu lassen, war keine gute Idee, denn sie wurde eines Tages von der Sperrgutabfuhr mitgenommen. Halbherzig, telefonisch, versuchte ich noch, ihre Spur aufzunehmen, liess es dann aber, indem ich mir einredete, es habe halt nicht sein sollen.


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