Samstag, 28. März 2020

Geschichten vom Rhein 1


Aufs Wasser (Wallbach)

Mein Vater hat mir einmal ein paar Erinnerungen an Wallbach aufgeschrieben. Er war dort lieber als in Cornol, hat sich wohlgefühlt bei der Grossmutter, und bei seinem Onkel Walter, der gross war und stark. Ringer und Schwinger, Pontonier, Turner, Schütze, allgemein beliebt. Der in ihm seinen Nachfolger auf dem Hof sah. Der Bub hat sich, lang über die Ferien hinaus, den Kuhmist zwischen den Nägeln seiner Schuhe konserviert, und ab und zu nostalgisch daran gerochen. Überhaupt die Kühe, ihr Geruch, die warme Wucht ihrer Körper. Er konnte von Nahem zuschauen, wie sie scheissen, ist auch einmal von oben bis unten bespritzt worden, als er hinter einer hustenden Kuh stand. Beim Kalben duften sie nicht zuschauen, sein jüngerer Bruder und er. Sie haben sich versteckt im Heustock, um durch eine Ritze trotzdem am verboteten Geschehen teilzuhaben. Gesehen haben sie, ausser herumrennenden Erwachsenen, gar nichts. So mussten sie sich einreden, nun über alles Bescheid zu wissen, zu den Grossen zu gehören.

Vollendetes Glück hast du, Vater, an einem Abend in Wallbach erlebt, nach einem harten Arbeitstag im Sommer. Onkel Walter war schon seit zwei Uhr früh auf den Beinen, als er sich zu euch an den Zmorgetisch setzte. Er wusste, dass das Wetter es an diesem Tag erlauben würde, mehrere Fuder Gras zu mähen, trocknen zu lassen und nach Hause in den Schober zu bringen. So machst du dich mit ihm und mit der Grossmutter zusammen auf, mit geschultertem Gerät. Zuerst müsst ihr das Gras zetteln, das der Onkel schon gemäht hat. Es wird ein heisser Tag. Ihr recht das Gras zu kleinen Haufen, schöcheln sagt ihr dem. Dann immer wieder zetteln, das gemähte Gras auflockern und umdrehen, damit es durchtrocknen kann. Das frisch Gemähte zu Reihen, dann zu Häufchen zusammen nehmen. Nach einer kurzen Mittagspause im Schatten eines Baums geht es weiter, den ganzen Tag. Es sieht gut aus, im Laufe des Nachmittags beginnt ihr damit, das trockene Heu aufzuhäufen. Zum Schluss holt Walter seinen Wagen, von zwei Kühen gezogen. Darauf wird das Tagwerk geladen, nach Hause gefahren und in die Scheune verfachtet. Dann sind noch die Kühe zu melken. Dich lässt man, du klemmst dich auf der Bank in der Stube hinter den Tisch und liest den Blindenkalender.

Und dann der Ruf. Schillbärt. Wotsch mit uffs Wasser. Ob ich will. Mit ihm, meinem Lieblingsonkel darf ich hinaus. Er braucht noch ein bisschen Entspannung nach dem harten Tag, und mich will er dabei haben. Ich renne zum Weidling hinunter, er kommt gemütlich hintendrein, mit dem Geschirr, den Stachel und das Ruder gekreuzt auf beiden Schultern. Ich springe hinein, als er einsteigt, schwankt es lustig. Losgebunden, dann gehts mit kräftigen Ruderschlägen quer hinüber. Der Onkel schafft es heute, auf gleicher Höhe zu bleiben, gegen Schluss sogar etwas Wasser zu gewinnen, ich kontrolliere es genau an der Weide am badischen Ufer, melde es stolz. Dann ein letzter Schlag, mit dem eingesteckten Blatt das Heck herumgeholt, das Ruder in den Rumpf gelegt und durch den Stachel ersetzt. Ich merke mir alles genau, für wenn ich gross genug bin. In ein paar Jahren gehts noch flotter, da sind wir zu zweit, sagt er. Damit bin ich gemeint. Nun dem Ufer entlang stacheln. Es tönt so schön, das Krackeln der Eisendorne in den Kieseln, das dumpfe Entlangschrammen des Stiels an der Bordwand, Walters Stimme, wenn er wohlig stöhnend abstösst, weit nach hinten abdrückt, um dem Kahn Fahrt zu geben. Ich lehne mich zurück auf meinem Bänklein, lasse eine Arm über Bord hängen, erwische dann und wann mit einem Finger das Wasser und schlitze ihm die Haut auf. Mein Kopf ruckt nach vorne, bin ich eingeschlafen. So, das ist gut für heute, sagt Walter und stösst seitwärts gegen das Ufer ab. Und schon beginnt es zu drehen, die Häuser von Mumpf ziehen vorbei. Walter wechselt wieder das Werkzeug und erreicht mit ein paar Schlägen die Flussmitte. Ich lege mich hin, schaue in den rötlichen Himmel, bis mir die Augen zufallen. Dann erwache ich von einem schwankenden Auf und Ab. Bist eingeschlafen, sagt sein Mund, ganz nahe. Da merke ich, dass er mich trägt. Ich will sofort hinunter, selber marschieren. Walter lacht. Ist schon gut, ich bin auch müde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen